Vernissage „Brot“ am 15.06.2019
Vernissage „Brot“ am 15.06.2019

Vernissage „Brot“ am 15.06.2019

„Brot“
mit „Poesie wie Brot“ von Thilo Seibt

Fotoatelier am Schönen Berg
Mansteinstr. 16
10783 Berlin-Schöneberg

Ausstellung
16.06. – 30.06.2019

Öffnungszeiten
Sa/So 14:00 – 18:00

Vernissage
Fr. 15.06.2019 ab 19:00

Brot
BROT ist Kulturgut und in großen Teilen der Erde unverzichtbares Grundnahrungsmittel. Spätestens in der Altsteinzeit wurde Getreide zu Mehl vermahlen und anschließend wahrscheinlich gekocht oder gebacken, um die Körner genießbar zu machen. Die ältesten Brotreste, die man je gefunden hat, sind über 14.400 Jahre alt.
Aber BROT ist mehr als Kruste und Krume, mehr als Mehl, Hefe, Wasser, Salz und Hitze.
BROT ist ein Gefühl, eine Erinnerung, ist Kindheit, Familie und Gemeinschaft. BROT ist ein Symbol und für viele heilig. BROT ist auch Metapher und Sujet in der Kunst. Künstlerinnen und Künstler haben sich immer wieder mit BROT beschäftigt – von Man Ray bis Salvador Dalí, von Käthe Kollwitz bis Maria Lai 2017 auf der Biennale in Venedig.
Über BROT wird gesprochen – über 500 Sprichwörter handeln von BROT.
Die Fotograf*innen des Fotoateliers am Schönen Berg nähern sich dem Sujet von verschiedensten Richtungen aus. BROT wird dabei betrachtet, beobachtet, beschrieben und bearbeitet.  Entstanden sind so fotografische Skulpturen, assoziative Bild- und Text-Kompositionen, Verschränkungen von BROT mit Literatur und Poesie, Inszenierungen und  Installationen, Straßenfotografie, Stillleben und Alltagsbeobachtungen. Mal sucht die Kamera die Nähe zum Subjekt, mal ist sie Beobachterin aus der Distanz.
Es gibt unendlich viele Geschichten über BROT – wir erzählen elf davon.

teilnehmende Künstler:
Anneliese Fechner, Cornelia Ogiolda, Edith maria Balk, Erhard Flach, Frauke Langguth, Gabriele Kuhlewind, Sibylle Hoffmann, Thilo Seibt, Thomas Tillmann, Winfried Mateyka, Wolfgang Eschenborn

„Poesie wie Brot“ © Thilo Seibt

Poesie wie Brot?
Dieses Brot müsste zwischen den Zähnen knirschen
und den Hunger wiedererwecken,ehe es ihn stillt.

Und diese Poesie wird scharf von Erkenntnis und bitter von Sehnsucht sein müssen, um an den Schlaf der Menschen rühren zu können.

aus Ingeborg Bachmanns Poetik-Vorlesung (1959/60)


In der ersten von fünf Vorlesungen an der Frankfurter Universität zu den Fragen zeitgenössischer Dichtung hat sich Ingeborg Bachmann im Wintersemester 1959/60 mit den „Fragen und Scheinfragen“ beschäftigt. Darin postuliert sie folgendes. „Nur der größte Ernst und der Kampf gegen den Missbrauch ursprünglicher großer Leiderfahrungen können uns helfen, es (das Volk) aus seiner phantastischen Lethargie zu wecken. ‚Das Volk braucht Poesie wie das Brot‘, diesen rührenden Satz, einen Wunschsatz wohl, hat Simone Weil einmal niedergeschrieben. Aber die Leute brauchen heute Kino und Illusionen wie Schlagsahne, und die anspruchsvolleren Leute (und zu denen gehören nämlich auch wir) brauchen ein wenig Schock, ein wenig Ionesco und Beatnikgeheul, um nicht überhaupt den Appetit auf alles zu verlieren. Poesie wie Brot? Dieses Brot müsste zwischen den Zähnen knirschen und den Hunger wiedererwecken, ehe es ihn stillt. Und diese Poesie (ich ergänze auch die Theologie) wird scharf von Erkenntnis und bitter von Sehnsucht sein müssen, um an den Schlaf der Menschen zu rühren. Denn wir schlafen ja, sind Schläfer, aus Furcht, uns und unsere Welt wahrnehmen zu müssen.“

Die Arbeit von Thilo Seibt versucht diese Gedanken bildlich umzusetzen.