In den letzten Jahren wurden viele Schulen stillgelegt. Einige wurden umgenutzt, andere stehen leer und wieder andere wurden abgerissen. Diese Schulen sind inzwischen zu einem weithin sichtbaren Symbol des demografischen Wandels geworden. Es werden immer weniger Kinder geboren. Die Gesellschaft altert. Die Familienstrukturen ändern sich. Landstriche dünnen aus. Der demografische Wandel wird unsere Gesellschaft wesentlich beeinflussen. Das Verschieben der Altersstrukturen wird die Abhängigkeiten in der Gesellschaft neu definieren.
Die fotografische Arbeit „Abschlussbild“ von Thilo Seibt nimmt diese Themen auf. Für diese Arbeit wurde eine Schule in Mecklenburg-Vorpommern gewählt, da dort die beschriebenen Prozesse des demografischen Wandels viel schneller als im Rest von Deutschland zu beobachten sind. Durch den Niedergang der Landwirtschaft und Industrie in diesem Bundesland und den daraus folgenden Weggang der arbeitsfähigen Bevölkerung in Richtung westliche Bundesländer hat sich die Bevölkerungsstruktur dort schon massiv verschoben. Im Ostseebad Wustrow wurde nun die einzige Schule auf dem Fischland geschlossen. In den Gemeinden Ahrenshoop und Wustrow, die den Einzugsbereich dieser Schule bildeten gab es nur noch fünfzig Kinder zwischen fünf und zehn Jahren. Die Grundschule Wustrow ist eine von vierzehn Schuleinrichtungen in Mecklenburg- Vorpommern die im Jahre 2007 den Lehrbetrieb endgültig einstellen mussten. In den letzten 15 Jahren halbierte sich in Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der Schüler.
Die Schließung und der Abriss einer Schule als Symbol für den demografischen Wandel. Viel besprochen wird er hier bis zur letzten Konsequenz bildhaft umgesetzt. Mit seinen stillen Betrachtungen nimmt Thilo Seibt die letzten Szenen der Schule auf. Kleine Details aus der Kindheit werden durch Abrissbilder gebrochen. In „Abschlussbild“ beginnt Thilo Seibt mit Eindrücken aus den letzten Tagen des Unterrichtes. Die Normalität ist zu sehen. Die Lehrer und Kinder sind aber an diesem Ort nur noch Gast. Sie verschwinden langsam aus dem Gebäude. Die Gedanken sind schon in der Zukunft. Sie erscheinen auf den Fotografien nur noch vereinzelt. Sie zeigen dabei nicht mehr ihr Gesicht. Die Wehmut oder die Hoffnung werden bewusst nicht öffentlich gemacht. Es bleiben die Bilder der Kindheit. Während des Umzuges beschränkt sich Thilo Seibt auf Details von Gegenständen. Der verpackte Kranich wird in einer anderen Schule wieder auftauchen. Es entsteht Hoffnung auf neue Kindheitsbilder. Der Zugvogel als Symbol weiterer Stationen, weiterer Schulschließungen. Die Räumung und letztendlich der Abriss der Schule wird in ästhetischen Bildern erzählt. Diese Ästhetik soll eine Irritation zum Inhalt schaffen.
Ausstellungen:
Galerie xpon-art (Hamburg)
02.02. – 26.02.2012 – „abRiss“
Dorint Strandhotel (Wustrow)
20.08. – 29.08.2010
Fotogalerie Walraff (Köln)
26.06. – 30.07.2010
Heinrich-Böll-Stiftung (Rostock)
10.03. – 30.04.2009
Fotocentrum am Wassertor (Berlin)
04.04.2008 – „Im eigenen Auftrag“
Zeit und Ort:
Mai 2007 und Februar 2008
Fischländer Grundschule (Landkreis Nordvorpommern)
Danksagung:
Karola Ohl (ehem. Schulleiterin)
Sybille Hoffmann (Fotocentrum am Wassertor)
allen Mitwirkenden im Ostseebad Wustrow
Ausstellungsdaten:
19 C-Print 60×90 auf Alu-Dipond
benötigte Wandlänge: ca 30-40m
Fotografien: